Regeln der Konversation

Die Gesellschaft schafft sich Regeln

Die Regeln der menschlichen Konversation scheinen sich in den letzten Jahrzehnten verändert zu haben und ich muss es akzeptieren. Auf Facebook habe ich interessante Erfahrungen gemacht:

Fragen werden nur noch dann beantwortet, wenn sie dem Leser gefallen. Meistens werden sie gar nicht beantwortet; allenfalls bei Wiederholung. Wenn sie nicht gefallen, bleiben sie einfach im Raum stehen.

Wenn man herzlich und individuell auf einen Menschen zugeht, zieht er sich erschrocken zurück und schweigt.

Eine Zusage wird nicht eingehalten. Sie bedeutet nichts und wird nur dann erfüllt, wenn es dem Geber der Zusage gefällt.


Wenn ich eine Frage stelle, erwarte ich eine Antwort, weil die Frage an einen Menschen geht, den ich für gleichwertig erachte. Wenn keine Antwort erfolgt, bedeutet es, dass dieser Mensch sich nicht um Wahrheit und Ernsthaftigkeit bemüht. Was er ansonsten sagt, ist dann unverbindlich. Es ist wie das Bellen eines Hundes, nur im ersten Augenblick nicht so abweisend. Wenn Worte keine Bedeutung haben, hat die Sprache keine Funktion mehr. Es ist wie das Plappern eines Papageies. Es ist weitgehend inhaltsleer. Wie schlimm ist es, in einer solchen menschlichen Gesellschaft zu leben. Es ist eine leere Gesellschaft, weil auch die Worte, die in ihr produziert werden, leer sind. Es wäre ein Leben unter Affen, die wie Menschen aussehen und auch solche Laute von sich geben, aber diese Worte sind ohne Bedeutung. Schleichend vollzieht sich ein Prozess in unserer Gesellschaft, bei der eine Eigenschaft des Menschen verlorengeht – Sprache mit Inhalt.

So negativ es klingt – es ist mein Eindruck. Weil ich seit einigen Jahren ein ausgesprochener Einzelgänger bin, der kaum Kontakt zu anderen Personen hat, erscheint es mir, als würde ich plötzlich in eine andere Welt eintauchen. Sie gefällt mir nicht! Mit „Facebook“  bin ich auf eine Welt getroffen, vor der man weglaufen muss. Mein eigenes Abitur habe ich gemacht, ohne einen Computer angefasst zu haben. Heute werden die Kinder mit diesem Medium groß. Erst vor wenigen Jahren habe ich Computer kennengelernt und war davon begeistert. Jede Information ist mit einiger Hartnäckigkeit zu erreichen. Wenn ich daran denke, dass in meiner Kindheit einige Jahre ein überholtes Lexikon meine Hauptinformationsquelle war, habe ich mich zeitweise mit dem Computer mehr beschäftigt als mit meiner Bibliothek. Bücher bleiben wichtig, denn sie haben Qualitäten, die der PC nicht hat. Wenn ein Einzelthema intensiv studiert werden soll, ist ein Buch „handlicher“ und für die Augen angenehmer.


Für Menschen, die mit dem Computer aufwachsen, hat er einen gravierenden Nachteil. Viele sind nicht mehr in der Lage, eigenständig einen durchdachten Satz zu formulieren. Es ist erschreckend, wie wenig die Struktur unserer Sprache erkannt wird. Zwar haben viele Programme eine eingebaute Fehlerüberprüfung für die Sprache, aber gerade das verhindert ein wirkliches Verständnis.

Aber das ist nebensächlich gemessen an dem Verlust, dass die Verbindlichkeit des Wortes nicht mehr erkannt wird. Das ist der Weg zur unmenschlichen Gesellschaft!



Januar 2015 Hermann Hain